Heiß-Kalt-Verhalten in Beziehungen
Warum du „fast verrückt wirst“ und was wirklich dahintersteckt
Gestern war alles gut. Ihr hattet Nähe, vielleicht Zärtlichkeit, Leichtigkeit und heute ist er plötzlich distanziert, kühl, abweisend. Er meldet sich kaum, wirkt genervt, wo eben noch Verbundenheit war oder beendet sogar überraschend die Beziehung.
Und du fragst dich: „Was ist passiert? Habe ich etwas falsch gemacht?“
Dieses Auf und Ab kann dich innerlich zermürben. Du schwankst zwischen Hoffnung und Schmerz, suchst nach Erklärungen und beginnst, an dir selbst zu zweifeln. Alles zieht sich zusammen und du drehst dich um die eine Frage: wie kann ich ihn wieder gewinnen?
Das, was du erlebst, hat eine tiefe psychologische Erklärung: das Heiß-Kalt-Verhalten ist ein typisches Muster bei Partnern mit vermeidendem Bindungsstil.
Und das Entscheidende ist: Du bist nicht verrückt. Dein ganzes Nervensystem reagiert auf ein Verhalten, das zutiefst verunsichernd ist.
Du erfährst hier:
Was das Heiß-Kalt-Verhalten eines Mannes bedeutet
Beim Heiß-Kalt-Verhalten schwankt der Mann zwischen Nähe und Distanz. Mal ist er liebevoll, zugewandt, vielleicht sogar voller Zukunftspläne und kurz darauf zieht er sich zurück, wirkt abweisend, unnahbar oder emotionslos.
Diese Widersprüchlichkeit hat meist nichts mit Manipulation zu tun (kann es aber, wenn er stark narzisstische Tendenzen aufweist), sondern mit einem unbewussten Schutzmechanismus:
Menschen mit vermeidendem Bindungsstil, also Bindungsangst empfinden zu viel Nähe als Bedrohung. Sobald eine Beziehung intensiver wird, aktiviert ihr Nervensystem ein inneres „Stopp“. Sie brauchen Abstand, um sich wieder sicher zu fühlen.
Wenn du selbst eher unsicher-ambivalent gebunden bist, trifft das genau auf deine wunden Punkte. Du sehnst dich nach Nähe und wenn sie plötzlich fehlt, geht innerlich der Alarm los.
🌿 Lies dazu auch : Toxische Kombination: Wenn du mit dem unsicher-ambivalenten Bindungsstil auf unsicher-vermeidend triffst
Wichtig: Nicht jedes Heiß-Kalt Verhalten hat mit Bindungsangst zu tun
Es ist mir wichtig, das klar zu sagen: Nicht jeder, der sich widersprüchlich verhält, tut das, weil er verletzt oder bindungsängstlich ist.
Manchmal steckt auch einfach fehlendes, echtes Interesse oder emotionale Unreife dahinter.
Manche Männer wollen sich gar nicht wirklich binden, sondern nur die Nähe, solange sie angenehm ist – gerne vor allem die körperliche.
Sie melden sich, wenn sie Aufmerksamkeit, Bestätigung oder Sex möchten und tauchen wieder ab, sobald es verbindlicher oder unbequemer wird.
Dann ist es kein Bindungsthema, sondern ein Respektthema.
Und es ist nicht deine Aufgabe, zu verstehen, warum jemand so handelt, sondern zu erkennen, was du verdienst: echtes Interesse, emotionale Präsenz und Verlässlichkeit.
Wenn du merkst, dass seine Worte und Taten dauerhaft nicht zusammenpassen, dann glaube nicht seinen Erklärungen, sondern achte auf seine Energie und sein Verhalten. Denn echtes Interesse ist klar – nicht verwirrend.
🌿 Lies dazu auch: Bindungsangst oder kein Interesse?
Was das Heiß-Kalt-Verhalten mit deinem Bindungssystem macht
Dauerhafte Aktivierung deines Bindungssystems
Das Bindungssystem ist wie ein inneres Alarmsystem, das anspringt, wenn emotionale Sicherheit gefährdet ist. Wenn dein Partner Nähe sucht (heiß) und dann plötzlich auf Abstand geht (kalt), erlebt dein Nervensystem das wie ein ständiges An und Aus von Sicherheit.
- Du kommst nie richtig zur Ruhe.
- Dein Körper bleibt in Alarmbereitschaft – wie in einer emotionalen Achterbahn.
Das führt dazu, dass du ständig nach Signalen suchst („Wie meint er das jetzt?“, „Kommt er wieder?“). So entsteht das Gefühl, abhängig zu sein obwohl du es gar nicht willst und eigentlich fest im Leben stehst.
Alte Bindungsverletzungen werden getriggert
Wenn du in deiner Kindheit erlebt hast, dass Nähe unsicher oder unbeständig war, kann das Heiß-Kalt-Verhalten diese alte Wunde reaktivieren. Du spürst plötzlich das dringende Gefühl: „Ich muss etwas tun.“ Es fühlt sich existenziell bedrohlich an, den Kontakt zu verlieren.
Diese Angst kommt nicht aus dem Heute, sondern aus der frühen Kindheit, in der Fürsorge nicht immer sicher und vorhersehbar war. Damals war der Verlust von Bindung wirklich existenziell bedrohlich, heute ist er es nicht mehr.
Doch weil es sich so anfühlt, bleibst du vielleicht in dieser Dynamik, obwohl du längst merkst, dass sie dir nicht guttut.
Deine Wahrnehmung verändert sich
Je länger du in so einem Muster bleibst, desto mehr verschiebt sich dein innerer Kompass: Du gewöhnst dich an Unbeständigkeit und nennst sie „Intensität“. Du freust dich über jedes noch so kleine Zeichen von Nähe, als wäre es ein großer Beweis für Liebe.
Das nennt man intermittierende Verstärkung – ein Mechanismus, der auch in der Suchtforschung bekannt ist. Dazu später mehr.
Doch es passiert noch etwas anderes: Wenn dich derselbe Mensch, der dir Liebe und Geborgenheit schenkt immer wieder verletzt, entsteht kognitive Dissonanz – also ein innerer Widerspruch zwischen dem, was du erlebst, und dem, was du glauben willst. Dein Kopf weiß, dass dir die Beziehung nicht guttut, aber dein Herz hängt noch an den schönen Momenten.
Gerade mit einem unsicher-ambivalenten Bindungsstil neigen wir dann dazu, die Ursache bei uns zu suchen:
- „Vielleicht bin ich zu sensibel.“
- „Vielleicht war es gar nicht so schlimm.“
Oder wir erklären und entschuldigen das verletzende Verhalten:
- „Er hat auch eine echt schwierige Beziehung mit seiner Ex gehabt“
- „Er hat gerade so viel Stress bei der Arbeit“
Um die Beziehung erhalten zu können, schieben wir den Schmerz weg, aber innerlich bleibt die Verwirrung bestehen.
Dein Selbstwertgefühl leidet
Wenn du dich immer wieder öffnest und dann emotional zurückgewiesen wirst, entsteht unbewusst der Gedanke: „Mit mir stimmt etwas nicht. Ich bin zu viel oder nicht genug.“
Dein Bindungssystem lernt: Nähe ist gefährlich, weil sie weh tut.
Und irgendwann beginnst du selbst, dich zurückzuhalten – aus Angst vor dem nächsten Schmerz.
Dein Kopf sagt: Es war richtig...
Aber dein Herz ist noch nicht so weit?
Warum du „fast verrückt“ wirst – zwei Bindungssysteme, zwei Welten
Unterschiedliche Funktionsweise des Bindungssystems
Bei ängstlich-ambivalenten Partnerinnen bleibt das Bindungssystem daueraktiv, sobald Distanz entsteht. Sie spüren Sehnsucht, Schmerz, Liebe und interpretieren das als Zeichen dafür, dass die Verbindung tief ist.
Bei vermeidenden Partnern ist es genau umgekehrt: Wenn Nähe sie überfordert, deaktiviert ihr System, um sie emotional zu schützen.
Das bedeutet: Sie fühlen tatsächlich weniger. Ihr Körper fährt Emotionen herunter, um Distanz zu schaffen und Kontrolle zurückzugewinnen.
Das ist in der Regel kein bewusster Akt, sondern eine automatische Schutzreaktion ihres Nervensystems.
Der emotionale Widerspruch
Für die Partnerin wirkt das wie ein Schlag ins Gesicht:
„Gestern noch liebevoll, heute eiskalt. Wie kann man so schnell umschalten?“
Weil sie selbst nicht auf diese Weise „abschalten“ kann, erscheint das Verhalten unbegreiflich – fast herzlos. Aber aus der Bindungsperspektive ist es kein Mangel an Liebe, sondern ein Mangel an Regulationsfähigkeit. Der Vermeider kann Nähe nur bis zu einem bestimmten Punkt aushalten – danach wird sie bedrohlich.
Die dramatische Dynamik
Je stärker der Vermeider auf Abstand geht, desto stärker aktiviert sich das Bindungssystem der Partnerin.
→ Sie sucht Nähe.
→ Er zieht sich weiter zurück.
→ Ihr System feuert noch stärker.
Das ist ein unbewusster Tanz aus Angst und Sehnsucht, in dem beide verlieren: Sie fühlt sich abgelehnt, er fühlt sich erdrückt. Und beide erleben, dass Liebe schmerzhaft ist.
Wenn sich das System des Vermeiders wieder entspannt
Interessanterweise melden sich viele Vermeider erst wieder, wenn die Distanz groß genug ist, um ihr Nervensystem zu beruhigen. Dann spüren sie plötzlich wieder Sehnsucht und kommen zurück. Der Kreislauf beginnt von vorn.
🌿 Lies dazu auch den Blogartikel: Umgang mit vermeidendem Bindungsstil
Die psychologische Falle: Intermittierende Verstärkung
In der Lerntheorie bezeichnet „intermittierende Verstärkung“ ein Phänomen, das Verhalten besonders stabil hält, wenn Belohnungen unvorhersehbar kommen. B.F. Skinner zeigte das schon in den 1950ern:
Tiere, die nur manchmal Futter bekamen, wenn sie auf einen Hebel drückten, machten viel länger weiter als jene, die immer oder nie belohnt wurden. Sie wurden obsessiv und vernachlässigten sogar ihre Fellpflege.
Dasselbe passiert in Beziehungen: Ein vermeidender Partner verhält sich (in der Regel unbewusst) nach genau diesem Muster:
- Mal ist er liebevoll → Belohnung
- Dann zieht er sich zurück → Leere
- Dann wieder eine Nachricht, ein Treffen → neue Belohnung
Das Zusammenspiel von Dopamin (Belohnung), Cortisol (Stress) und Oxytocin (Bindung) hält dich im Bann.
Wenn du wirklich loslässt, fühlt sich das nicht nur emotional leer an, sondern auch neurobiologisch wie Entzug. Dein Gehirn schreit: „Mach was! Schreib! Stell Kontakt her!“ weil es die unregelmäßigen Belohnungen gewohnt ist.
Deshalb reicht reines Wissen oft nicht aus, um sich zu lösen – man braucht Regulation, Bewusstsein und neue Erfahrungen von Sicherheit, die das alte Muster überschreiben.
🌿 Lies dazu auch den Blogartikel: Wie du emotionale Abhängigkeit lösen kannst
Was hilft, um da rauszukommen
Erkenne, was das Verhalten mit dir macht
Statt weiter zu analysieren, warum er so ist, richte den Blick auf dich:
- Wie fühlst du dich in dieser Dynamik?
- Was passiert in deinem Körper, wenn er sich zurückzieht?
- Was denkst du über dich, wenn er schweigt?
Dieses Bewusstwerden ist der erste Schritt, um den Autopiloten zu durchbrechen. Denn solange du dich auf sein Verhalten konzentrierst, bleibst du reaktiv. Wenn du erkennst, wie dich das alles innerlich beeinflusst, beginnst du, die Kontrolle zurückzuholen.
Akzeptiere Grenzen – deine und seine
Grenzen sind kein Zeichen von Kälte, sondern von Klarheit. Akzeptiere, dass du Nähe brauchst und dass er sie vielleicht nicht geben kann oder will. Beides darf wahr sein.
Wenn du versuchst, seine Grenzen zu dehnen, verlierst du dich. Wenn du dagegen deine eigenen Grenzen setzt, beginnst du, dich selbst wieder ernst zu nehmen.
Das kann bedeuten:
- weniger Kontakt zuzulassen
- dich nicht mehr auf unklare Situationen einzulassen
- oder auch, konsequent Abstand zu nehmen, wenn du merkst, dass dich sein Verhalten destabilisiert.
Grenzen sind nicht gegen den anderen gerichtet, sondern für dich.
Gefühle nicht wegmachen, sondern dich darin halten
Viele Frauen versuchen, den Schmerz „wegzudenken“ oder schnell zu überwinden. Aber Gefühle, die nicht gefühlt werden dürfen, bleiben.
Statt also dagegen anzukämpfen, versuche dich darin zu halten:
Atme. Spüre. Lass zu, dass da Trauer, Wut, Enttäuschung sind.
Sag dir:
„Ich darf fühlen, was ich fühle und ich bin trotzdem sicher.“
Wenn du dich selbst in diesen Momenten liebevoll begleitest, geschieht etwas Entscheidendes: Dein Körper erfährt, dass du nicht mehr verlassen wirst – zumindest nicht von dir selbst.
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Baue emotionale Sicherheit außerhalb der Beziehung auf
Solange dein Nervensystem seine Beruhigung nur über ihn bekommt, bleibt die Abhängigkeit bestehen. Darum ist es so wichtig, andere sichere Anker zu schaffen:
- vertraute Menschen, die dich sehen und schätzen
- Routinen, die dir Struktur geben und dich im Alltag stabilisieren – z. B. morgens kurz an die frische Luft gehen, regelmäßig schreiben oder feste Zeiten für Sport einplanen
- Rituale, die dich innerlich nähren und in Verbindung mit dir bringen – z. B. eine Kerze anzünden, bewusst atmen, ein Lied hören, das dich in dein Herz bringt, oder abends eine kleine Dankbarkeitsliste erstellen.
Sicherheit entsteht durch Wiederholung von Sicherheit, nicht durch das Hoffen auf den nächsten „heiß“-Moment.
Stell dich selbst wieder in den Mittelpunkt deines Lebens
Wenn du lange in einer Heiß-Kalt-Dynamik warst, kreisten deine Gedanken wahrscheinlich fast nur noch um ihn – um seine Nachrichten, seine Stimmung, seine Entscheidungen. Unbewusst hast du dabei dein eigenes Leben auf Pause gedrückt.
Doch Heilung bedeutet auch: wieder zur Hauptfigur in deinem eigenen Leben zu werden.
Statt zu warten, dass er sich meldet, dass etwas passiert oder dass die Gefühle endlich nachlassen, kannst du beginnen, den Fokus wieder auf dich zu richten.
Frag dich:
Was möchte ich in meinem Alltag erleben?
Wofür möchte ich morgens aufstehen?
Was hat in meinem Leben zu lange keinen Platz mehr gehabt?
Manchmal sind es gar keine großen Dinge. Ein Spaziergang am Morgen, ein neues Projekt, ein Abend mit Menschen, die dir guttun – all das sind kleine Schritte zurück zu dir.
Das sind feine Signale an dein Nervensystem:
„Ich bin wieder aktiv. Ich bin wieder da.“
So entsteht Schritt für Schritt das Gefühl, nicht mehr ausgeliefert zu sein, sondern Gestalterin deines Lebens. Und genau das zieht neue, gesunde Erfahrungen an – weil du wieder aus deiner eigenen Mitte handelst, statt aus der Warteposition.
Lass dich unterstützen
Wenn du merkst, dass dich das Heiß-Kalt-Verhalten in Beziehungen immer wieder aus der Balance bringt, lohnt es sich ganz individuell hinzuschauen. Manchmal sind die Muster so tief, dass sie sich nicht allein lösen lassen. Das ist keine Schwäche, sondern menschlich. Ein traumasensibles Beziehungscoaching kann dir helfen, dein Nervensystem zu verstehen, dich innerlich zu stabilisieren und zu lernen, dich selbst zu halten – auch wenn es im Außen wankt.
Denn je sicherer du in dir wirst, desto klarer wirst du auch im Außen: Du erkennst, welche Art von Beziehung du dir wünscht und welche nicht.
Du bist nicht verrückt – du reagierst normal auf unnormales Verhalten
Das Heiß-Kalt-Verhalten in Beziehungen ist kein Zeichen von Liebe, sondern Ausdruck von unbewussten Schutzstrategien oder schlicht mangelndem Respekt. Und deine starke Reaktion darauf ist keine Schwäche, sondern das Zeichen eines offenen, bindungsfähigen Herzens, das sich nach Sicherheit sehnt.
Der Weg aus diesem Kreislauf beginnt mit Bewusstsein und damit, dich selbst wieder an erste Stelle zu setzen.
Mein Mini-Online-Retreat „Loslassen, obwohl dein Herz noch hängt“ für 0 EUR ist ein guter erster Schritt. Ein sicherer Raum für dich – live auf Zoom, mit sanften Impulsen, einer Meditation und der Erfahrung, nicht allein zu sein. Du bist herzlich eingeladen!
Alles Liebe,
Joleen
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Joleen Böhmert
Beziehungscoach für Frauen
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